ZEITARBEIT (Artikel)

Ursprünglich verfasst für:

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ZEITARBEIT

Januar 2013 

Es gibt mehrere und vollkommen unterschiedliche Betrachtungsweisen, die den Komplex der Zeitarbeit darstellen können.
Die hier angeführten konkreten Details beziehen sich vor allem auf die Bundesrepublik Deutschland und einige andere Staaten. Z.b. in Österreich existieren jedoch abweichende Sachverhalte. 

Das umgebende System
Gehen wir zunächst vom System aus. Das herrschende System heißt (ganz wertfrei): Kapitalismus.
Der Kapitalismus ist von seinem Wesen, seinen Strukturmerkmalen her gesehen, auf bestimmte Dinge ausgerichtet.
a) Mit möglichst geringem materiellen Aufwand den höchstmöglichen Gewinn zu erzielen.
b) Zu wachsen, größer zu werden, sich auszubreiten.
c) Die Umwelt wird als Produktionsfaktor betrachtet.
d) Menschen, Arbeitskräfte, Humankapital werden ebenfalls als Produktionsfaktor betrachtet.
e) Das Maximierungsprinzip gilt kurzfristig, mittelfristig und langfristig. Kurzfristige Erfolge dürfen mittelfristige Erfolge nicht (zu sehr) beeinträchtigen. Mittelfristige Erfolge dürfen langfristige nicht (zu sehr) beeinträchtigen.
f) Gesetze, ethische Prinzipien, u.ä. sind nur insoweit interessant, als sie dem Unternehmenserfolg dienen, bzw. insofern ein Verstoß dagegen die Erfolge schmälern würde. Ansonsten sind sie irrelevant.
g) Eine persönliche Verantwortung hinsichtlich der Faktoren unter “f)” existiert nicht mehr. Diese Verantwortlichkeit für das Handeln, das Tun und Unterlassen, verflüchtigt sich als dünner Nebel in den Strukturen des jeweiligen kapitalistischen Unternehmens. Sie wird mit dem Effekt einer anschließenden Ungreifbarkeit vom System assimiliert.
h) Widerstand ist zwecklos.
Diese Prinzipien und kapitalistischen Strukturmerkmale gelten für jedes identifizierbare Element im System, id est: jede Firma, jedes Unternehmen. Viele Firmen gehören Konzernen, doch ist dies an dieser Stelle weitgehend uninteressant. In seltenen Fällen sind strategische Lenkungsimpulse / – Strategien natürlich sinnvoll. Ansonsten lassen sich, selbst bei direkter Konkurrenz der Einzelelemente, noch Synergieeffekte erzielen. Wenn ich, schlau wie ich bin, vom Baumarkt rüber gehe zum Praktiker, weil ich weiß, dass da Daumenschrauben 15% billiger sind – hervorragend! Der Kunde fühlt sich gut – und beide Ketten gehören demselben Mega – Konzern!
Konkrete Auswirkungen
Doch worum ging es? Um Zeitarbeit. Menschen, Arbeitskräfte, Humankapital werden ebenfalls als Produktionsfaktor betrachtet. Menschen haben sehr unangenehme Eigenschaften. Urlaubsansprüche, u.ä. sind noch verkraftbar: auch Maschinenteile müssen gewartet und überholt werden.
Unerwartete Sonderurlaube, nicht vorher berechenbare Leistungsschwankungen, Schwangerschaften, Bildungsurlaub und insbesondere Erkrankungen und Eigenkündigungen sind jedoch für ein optimales kapitalistisches Unternehmen schwer bis überhaupt nicht akzeptierbar. Staatliche Eingriffe (Kündigungsschutz für Schwerbehinderte, Mutterschaftsurlaub, etc. pp.) erschweren es weiter, das Maximierungsprinzip einzuhalten.
Menschen sind ein heikler und aufwendiger Produktionsfaktor. Maschinen und Ersatzteile sind hier wesentlich umstandsloser zu handhaben.
Zeitarbeitsfirmen
Hier nun treten Zeitarbeitsfirmen auf den Plan. Sie helfen den Einzelunternehmen, diesen Produktionsfaktor deutlich stärker zu entpersonalisieren, zu entmenschlichen, den anderen Faktoren ähnlicher und ihn berechenbarer zu machen. Gegen eine Entschädigung werden passgenaue Personen gestellt, das Risiko für einen unerwarteten Ausfall übernehmen die Zeitarbeitsfirmen. Der Mensch wird umdefiniert zum Ersatzteil, zum Nutzen Aller.
Nun ja, fast Aller. Die Entschädigung für die Zeitarbeitsfirma ist eine unangenehme Einschränkung für das einzelne Unternehmen. Doch sie kann neutralisiert werden durch den Transfer auf die Arbeitnehmer – der Lohn wird abgesenkt. Ein günstiges “Klima” für derlei herrscht immer dann, wenn keine Vollbeschäftigung, sondern ein gewisser Grad an Arbeitslosigkeit im umgebenden Umfeld (Staat, Land, Königreich, Diktatur, was auch immer, das ist egal, Hauptsache so stabil wie möglich) besteht.
Größere soziale Unruhen sind jedoch (wegen der Planbarkeit) andererseits auch nicht wünschenswert. Dankenswerter Weise treten in dieser Hinsicht in modernen Industrie – und Dienstleistungs – Gesellschaften oft die Regierenden hilfestellend auf. Werden Löhne gar zu niedrig, werden dem Humankapital aufstockende Leistungen gewährt, oder die Firmen erhalten staatliche Leistungen, die sie zum größten Teil zwecks Befriedung an die menschlichen Produktionsfaktoren weiter leiten können. Sollten hier einmal Motivationsprobleme bei den Lobbysierten auftreten die nicht durch finanzielle Zuwendungen beseitigbar sind, hilft oftmals ein Hinweis auf den Erhalt von Arbeitsplätzen, auf die globale Konkurrenz – Situation, u.ä.
Andere Sichtweisen
Dies ist eine der möglichen Sichtweisen. Sie ist in sich geschlossen und logisch. Es wäre völlig verfehlt, sie unmoralisch oder unethisch zu nennen. Diese Kriterien kommen hier schlicht nicht vor, sie sind einfach nur wesensfremd und irrelevant. Eine Klassifizierung als a-moralisch und ethikbefreit wäre demnach also weitaus treffender. Eine andere Sichtweise ist die, dass ein zeitarbeitender Mensch mehr Geld verdient als er mittels ALG II erhält und er sich mittelfristig eine größere Chance auf einen regulären Arbeitsplatz schafft, als wenn er jahrelang arbeitslos bleibt. Beides ist im Kern nicht bestreitbar und ist dem Einzelnen, dem Menschen  dienlich. Es taugt allerdings auch vorzüglich als ideologischer Überbau und als soziales “Deckmäntelchen”.
(BukTom Bloch aka Burkhard Tomm-Bub, M.A.)


3 Kommentare:

  1. Ja, so ist es wohl! Ein Unternehmen hat (fast) ausschließlich das Ziel Profite zu erwirtschaften, sprich höhere Erträge als Aufwendungen zu erzielen! Ein wesentlicher Kostenfaktor ist nun mal die "Human-Resource", die vielen Unternehmern, bzw. Share-Holdern nicht schmeckt, da diese ja die Erträge aufzehren. Die Zeitarbeit ist somit ein aus unternehmerischer Sicht sehr attraktiver Weg, sowohl die Kosten zu senken, als auch das unternehmerische Risiko zu minimieren, da man die Leiharbeitnehmer ohne Beachtung eines besonderen Kündigungsschutzes rausschmeißen kann.

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  2. Guten Tag Karl K.,
    Dank für die zustimmenden Worte.
    Ich hatte in dem Artikel versucht, ohne Hetze und irrationale Begrifflichkeiten, diesen Aspekt einmal zu analysieren.
    Die Kälte und Humanfremdheit wird gerade dadurch aber klar, finde ich.
    MfG
    Burkhard Tomm-Bub

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